Einblicke auf Person und Werk Orhan Kemals

 

 

Screiben Von der Achim-Martin Wensien

Vorbemerkung

 

Dem Fehlen O.Kemals kann man als Literat und Wissenschaftler keine Erkenntnisse abgewinnen. 

Zufriedenheit schleicht sich schnell ein, und zwar durch Entdeckung von Aussegen der Zeitgenossen, die ein blasses Bild über ihn abgeben. 

Keine Psychologie kann uns helfen, bestenfalls Hermeneutik und Literatursoziologie, die aber nur Wirkungen und Auswirkungen seines Werkes auf die Nachwelt, auf die Leser, durch Intentionalität und Einfühlungsvermögen deutenlessen.

Daher habe ich hier eine intentionale Disposition zum Werk des Autors eingenommen. 

1.     Mein Zugang

Jeder literaturbeflissene Mensch hat seinen Lieblingsautor. Er ist in meiner literarischen und ästhetischen Bedeutungswelt, die ich kontrafaktisch –gegen den Zeitgeist- erwerben kann, zum Lieblingsautor gewachsen. Denn ich habe ihn entdeckt durch Cetin Yetgin, der eine Untersuchung mit dem Titel “Politische Herrschaft als Gegner der Kunst” (in türkisch)in den 70er Jahren verfaßt hatte. In den 90er Jahren erst, nahm ich an Baden-Württember-ger Literaturtagen um über Yasar Kemal zu erzählen. Nebenbei, in den Vorbereitungen las ich “Vaterhaus” und war sehr begeistert. Yasar Kemal verblaßte infolge dessen in meinem literarischen Wertecodex. Ých lieh viele Romane aus, stieg sozusagen ins Werk O.Kemals nach zwanzig Jahren voll ein. So fing an, daß ich mich von der Anziehungskraft des Autor nicht loslösen konnte.

 

2.     Themenwahl O.Kemals

Zweifellos hat er bisher den besten querschnitt der türkischen Gesellschaft Überliefert: es sind die 30er, 40er und 50er Jahre, man kann sagen teilweise ‘finstere’, der klaren Erkenntnis unzulängliche Jahre, und teilweise  ‘überbelichtete, glorifizierte’ Jahre im Zuge der sich durchsetzenden Ideologie des Kemalismus, die ich persönlich den Nachfolgern Atatürks anlasten möchte. Kemalisten hatten das Monopol Kunst und Literatur durch Zensur, durch Verordnung von Themen und auch Honorierung der folgebereiten Autoren gänzlich reglementiert. Vor diesem Hintergrund geht ein Stern, namens Rasit Ögütcü(Orhan Kemal) auf, auf den Literaturverwalter aufmerksam werden. In seinen Themen ist er so ungewöhnlich, daß  man ihn eher als Cometen bezeichnen sollte.

Er streifte den Himmel, leuchtete sehr hell und erlosch. Gerade darin liegt seine Mächtigkeit, Zauber und Geheimnis, so daß   man öfters eine Renaissance seines Werkes erlebt. Seine Helden sind Frauen, Kinder, Ausgestoßene der Gesellschaft, ‘kleine Leute’, ich möchte kurz sagen: die Übergangsmenschen. In diesen Figuren zeichnet sich der sublite Wandel der Gesellschaft ab, der später erst gewaltige Formen nehmen wird.

Er sieht wie Ur-Soziologe Migrationsprozesse, Verstädterungsfolgen und soziale Dynamiken wie ein Seismograph im Voraus.

 

3.     Politischer Standort

Für die Literatur ist politische Zuordnung eines Autors nicht von Belang; mag sein, daß  darin eine Schwäche im türkischen Literaturbetrieb noch immer vorhanden ist. Er ist weder Sozialist, noch Republikaner gewesen, sofern es möglich ist, seinem Briefwechsel einen Grundton zu unterstellen.

Was mir aus “Vaterhaus” und us den Geschictskenntnissen über die Türkei vordringt, läßt ihn eher als einen “revolutionären Demokraten” bezeichnen. Es trifft eher zu als alle anderen Attribute, weil er den Menschen, ihren Bedürfnissen, ihren Hoffnungen Ausdruck verliehen hat, die ‘außerhalb’ der demokratischen Prozesse existieren mußten. Und ihre Zahl war (und ist) in der türkei wahrlich nicht gering.

Jedenfalls betrachte ich ihn auch als “Opfer” der Intrigen, die politisch und kulturpolitisch nach Sündenböcken suchten, um von ihrem Abdriften und falschen Ideologien unter dem Namen “Kemalisten” abzulenken. 

 

4.     Ästhetische Spuren

Er hat –unwiederbringlich und nicht wiederholbar- Maßstäbe hinterlassen, die man zusammenfassen kann als sprachliche Brillianz und Mächtigkeit, Natürlichkeit und Klarheit.

Zu dem Schluß  kann man kommen, wenn man seine Stimme hört. Ich habe ihn leider zu Lebzeiten als Autor nicht erleben können.

Es ist auch sein Verdienst, was man an der Sprache erkennt, auf die Zähigkeit der gesellschaftlichen Veränderungen als Folge politischer Irrtümer, Versäumnisse und Blockaden hingewiesen zu haben. Was völlig falsch in disem Zusammenhang erscheint, besteht in Absichten der Nachwelt, der Nacnfolgeautoren –keineswegs als Ergebnis von Forschungen und Detailkenntnissen, die sie repräsentieren- Orhan Kemal als ‘sozialistischen Realisten’, ‘Regionalautor’ oder ‘Vertreter der Dorfliteratur’ in beliebige Schubladen tun zum üssen.

Er wäre stiller Gigant, wäre ihm ein langes Leben beschieden worden. Vielleicht eine ‘Gunst der Geschicte’ daß  er kurz gelebt hat und seine sprachliche Wirkung gerade deshalb so mächtig, so verheißungsvoll einzuschätzen ist.

 

5.     Vergleiche

Jeder Vergleich hinkt- sagt ein deutsches Sprichwort. Man kann ihn –ohne seine tatsächliche Zustimmung zu überprüfen- tendenziell falsch, durch eigene Absichten gefärbt mit anderen vergleichen.

Ein ‘muß’   ist es nicht um seine Kunst, um sein Werk annähernd richtig zu begreifen. Er sagte selbst einmal, “ärgert euch zu tode, ich habe meine Leser” (oder so ähnlich).

Ich mag ihn vergleichen unter bestimmten Gesibhtspunkten, wie z.B. moralische Autorität, sprachliches Vorbild, kreatives Potenzial- die eben zu Anfang gesagt ‘Intentionen’ sein können, die ich annehme.

So betrachtet steht er für mich in einem ähnlichen Rang wie deutsche Autoren: Siegfried Lenz, W.Dietrich Schnurre oder Heinrich Böll.

Sie sind eher ‘Cometen’ als Fixsterne, Denn Fixsterne kann kein Astronom unmittelber, durch Erlebnis bedingt,beobachten; man braucht Fernrohre, Meßstationen und den Umkreis von Fachleuten der Astronomie. Und dadurch jedoch sind Verzerrungen, Vernebelungen vorprogrammiert. Man denke nur an das ‘Experiment Günter Grass’.

 

info@orhankemal.org