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"Die 72. Zelle" von Orhan Kemal, hg. von Uli Rothfuss und Achim Wensien

Orhan Kemal ist einer der bedeutenden Autoren der Türkei. Der Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk schreibt über ihn im Buch:
„Orhan Kemal wendet sich in seinen Romanen und Erzählungen immer wieder von der finsteren Welt des Brotkampfes" ab und entdeckt in dieser Welt glückliche Mikrokosmen mit menschlichen Gefühlen, die jenseits wirtschaftlicher Beziehungen angesiedelt sind und Lebensbejahung und Aufklärung stiften.“

 

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Orhan Kemal (1914-1970), mit eigentlichem Namen Mehmet Rasit Ögütçü, ist einer der bedeutenden Vertreter der türkischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er verfasste vor allem Erzählungen und Romane. Geboren wurde Orhan Kemal in Adana. Da sein Vater, Mitbegründer der Ahali Partei" und Mitglied des ersten Parlaments der Türkischen Republik, nach der Auflösung der Partei aus politischen Gründen nach Syrien flüchten musste, erlebte er eine schwere Jugend. Schon in frühen Jahren musste er seinen Lebensunterhalt verdienen, daher spielt der Kampf um das tägliche Brot" eine zentrale Rolle in Orhan Kemals Erzählungen. Während seiner Militärzeit wurde er wegen seiner politischen Ansichten zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gefängnis Bursa wurde zu einem Wendepunkt in seinem Leben, er begann zu schreiben und wurde durch Nazim Hikmet beeinflusst, den er dort kennen lernte. Zuerst beschäftigte er sich mit Poesie, veröffentlichte Gedichte in Zeitungen und Zeitschriften. Dann entschied er sich für die erzählenden Formen. Zu seinen ersten Romanen gehören Baba Evi" (Vaterhaus), Avare Yillar" (Wanderjahre) und Cemile". 1957 bekam er für sein Werk Kardes Payi" (Bruderanteil) den Sait-Faik-Literaturpreis. Für das Werk Önce Ekmek" (Zuerst Brot) erhielt er 1969 ebenfalls den Sait-Faik-Literaturpreis und den Preis der Türkischen Sprachgesellschaft. Neben seinen Erzählungen sind auch viele seiner Romane in andere Sprachen übersetzt worden. Im deutschen Sprachraum hingegen ist Orhan Kemal bislang kaum publiziert.

Achim Martin Wensien (Übersetzer) und Uli Rothfuss (Überarbeitung) haben die berühmte Erzählung „Die 72. Zelle“, eine Gefängniserzählung aus den Dreißiger und Vierziger Jahren in der Türkei, übersetzt und das Buch mit zwei biografischen Essays über Orhan Kemal angereichert, u.a. über die Funktion von Literatur in der Türkei und über einen Besuch beim Sohn von Orhan Kemal in Istanbul im Orhan-Kemal-Museum, das das Schaffen des Schriftstellers dokumentiert. In der Folge sollen weitere Bücher von Orhan Kemal herausgegeben werden.

Orhan Kemal: Die 72. Zelle, hrsg. von Uli Rothfuss und Achim Wensien, brosch., 154 S., Pop Verlag, Ludwigsburg 2010, 15,50 Euro.

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